
PatDoc-Talk ist ein nach Kriterien des game based learning entwickelte Übungsmöglichkeit, mit der Medizinstudierende und bereits niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ihr Gesprächsverhalten mit Patienten trainieren und verbessern können. Nun mag einer denken, dass so mancher Arzt sein kommunikatives Verhalten verbessern sollte – aber warum sollte dafür ausgerechnet ein Spiel geeignet sein?
Spielen ist Wiederholen
Das Einüben einer Fertigkeit und Spielen haben eins gemeinsam: Bei beiden lässt sich Verbesserung erst durch Wiederholung erzielen. Selbst wenn das erste Pokerblatt des Lebens gleich den Jackpot bringt, ist man deshalb noch lange kein guter Pokerspieler. Ein Pianist jedenfalls sollte eine erhebliche Anzahl an Übungsstunden hinter sich bringen, bevor ein Auftritt vor Publikum ratsam ist. Und so sollte sich auch ein angehender Mediziner auf die über 200.000 Gespräche, die das Berufsleben mit sich bringen, gut vorbereiten.
Die zweite Chance für den ersten Eindruck
Übungsräume für Mediziner gibt es sehr wohl (im Rahmen des Studiums oder der fachärztlichen Fortbildung), und doch haben diese Übungsangebote einen Haken: Es lässt sich mit jedem realen Patienten, der sich hierfür zur Verfügung gestellt hat, immer nur ein authentisches Gespräch führen. Selbst mit Studien- oder Fortbildungskollegen im Rollenspiel wird die Wiederholung ein und derselben Situation schwierig: Zum dritten Mal gefragt »Was führt Sie denn zu mir?«, dürfte der Geduldsfaden des »Patienten« zum Reißen gespannt sein.
Mit PatDoc-Talk lassen sich die Effekte des eigenen Verhaltens kennen lernen und austesten, ohne einen realen Patienten oder die eigene Großmutter dafür bemühen zu müssen. Denn im Gegensatz hierzu stehen die Gesprächspartner im Spiel jederzeit und bei jedem neuen Gesprächsversuch in immer derselben Ausgangsbefindlichkeit zur Verfügung. Für Spieler und Gesprächspartner ergibt sich so im gewissen Sinn die zweite Chance für den ersten Eindruck, der in einem Realkontext niemals gegeben sein wird.
Menschen spielen Menschen
Wir haben nicht mit animierten Figuren gearbeitet. So herrlich retro die 2d-Figuren auch gewirkt hätten, selbst die besten 3d-Animationen (für die wir gar kein Geld gehabt hätten) schienen uns einfach nicht angemessen, um die ernste Situation von Patienten mit ihren Ängsten und Befürchtungen zu repräsentieren. In PatDoc-Talk werden die Spielfiguren durch Menschen dargestellt: Patienten durch Schauspieler, Mediziner durch Studierende. Dabei gibt es für jeden Patienten, der im Wartezimmer darauf wartet, aufgerufen zu werden, jeweils eine Ärztin und einen Arzt. Spieler können sich also nicht nur ihren nächsten Patienten aussuchen, sondern auch die Figur, die sie im nächsten Gespräch repräsentieren soll.
Die Game Engine: TalkService
Die GameEngine für PatDoc-Talk, der TalkService, wurde von SHT (Köln) entwickelt. Der TalkService ermöglicht den internetbasierten Zugang zu den medialen Inhalten von PatDoc-Talk und stellt die Voraussetzung für die Vermittlung der Lerninhalte von PatDoc-Talk dar. Der TalkService an sich ist inhaltsfrei und kann somit an jedwede kommunikations- bzw. verhaltensmodifizierende Bildungsmaßnahme angepasst werden. Die Module des TalkService dienen der Benutzerverwaltung und der Speicherung der für das Spiel entwickelten Texte, Verknüpfungen sowie spezifischen Regeln und liefert sie auf Anforderung (die für das Spiel produzierten Videos als streaming media) durch einen Spieler aus. Auf seiner Oberfläche erscheint die Anwendung als einfach zu bedienendes Spiel.
Anleitung zum Aktiven Zuhören

So wie in den guten alten Adventures bietet PatDoc-Talk vorformulierte Fragen. Oder sagen wir besser: Interventionen. Tatsächlich soll das Spiel dazu beitragen, dass Mediziner weniger Fragen stellen, sondern vielmehr durch »aktives Zuhören« ihre Patienten darin unterstützen, von ihren Problemen zu erzählen. Ein bis vier Interventionen sind es jeweils, aus denen Spieler sich die eine aussuchen können, die
- die passendste zu sein scheint oder
- die man schon immer mal ausprobieren wollte, sich dies im Realkontext aber noch nie getraut hat.
- Vielleicht fällt die Wahl auf die Intervention, die derjenigen, die man im Kopf hat, am nächsten kommt.
- Oder auch auf diejenige, die als das geringste Übel erscheint.
Hat der Spieler sich einmal entschieden, wird die gewählte Szene abgespielt: Das alter ego äußert die Intervention, der Patient gibt die dazugehörige Antwort – und schon gilt es, die nächste Intervention auszuwählen.
Der Weg ist das Ziel
Den einen bestmöglichen Gesprächsverlauf gibt es nicht. Es geht darum, über den Patienten so viel wie möglich herauszufinden, neben dessen Konsultationsgrund auch seine individuelle Wirklichkeit kennen zu lernen (Ängste, Sorgen und Nöte, seine Lebenssituation) und so die Grundlage für kooperatives weiteres Vorgehen zu schaffen. Denn wie im wahren Leben sollte das Ziel lauten, den Patienten zum Wiederkommen zu motivieren.
Bei ungünstigem Verhalten ist es durchaus möglich, dass nach sechs Interventionen keine andere Option mehr bleibt als die Verabschiedung. Es kann passieren, dass ein Patient nach bereits fünf ungünstigen Interventionen wütend den Raum verlässt. Ein Gespräch kann aber auch mehr als fünfzig Interventionen umfassen und dabei sehr strukturiert sein. Von welcher Güte diese Gesprächsverläufe sind, wird den Spielern am Ende eines jeden Gespräches mitgeteilt. Entspricht diese Rückmeldung nicht den eigenen ehrgeizigen Zielen, kann man denselben Patienten immer und immer wieder aufrufen, und immer wieder wird dieser sich mit derselben Ausgangsbefindlichkeit ins Sprechzimmer begeben: Zumindest für ihn ist es wie beim ersten Mal…
Zugang nur für Medizinstudierende
Die Entwicklung der Lerninhalte von PatDoc-Talk wurde am Universitätsklinikum Köln von den Studiengebühren der Medizinstudierenden finanziert und durch die aktive Mitarbeit von Studierenden unterstützt. Seit dem Wintersemester 2011/12 wird es an der Medizinischen Fakultät Köln im 1. und 5. Semester eingesetzt. Der Zugang erfolgt passwortgeschützt über http://doctalk.azurewebsites.net/.